Einfach ein Autoradio austauschen

Es sollte eine schnell zu erledigende Aufgabe sein. Unser Oldtimer-Wohnmobil braucht ein neues Autoradio. Also keine große Sache für einen gewieften Heimwerker.

Das neue Gerät war schnell besorgt, das notwendige Werkzeug  war zunächst überschaubar: Schraubendreher und Spannungsmessgerät sollten genügen. Also, frisch an Werk und natürlich zunächst das Massekabel von der Batterie entfernt. Dann mit den beigefügten Blechstreifen das alte Radio – ein immerhin 34 Jahres als Becker-Qualitätsgerät – aus dem Schacht im Armaturenbrett herausgezogen. Die vorhandenen Steckerblöcke passen natürlich nicht für das moderne Radio. In mehr als drei Jahrzehnten hat sich die Technik schließlich weiterentwickelt. Also mit dem Spannungsmessgerät Plus- und Minuskabel lokalisiert und kurzerhand mit dem inzwischen dazugekommenen Seitenschneider abgezwickt und mit der Abisolierzange die Litzen freigelegt. Professionalität muss sein. Kabelschuhverbinder mit der Crimpzange angeklemmt und die Gegenstücke am Radio-Verbindungsblock angebracht. Es sollte nun das neue Radio mit dem perfekten Sound für ebenso musikalische wie informative Unterhaltung sorgen.

Das Verbinden des Massekabels mit der Batterie sorgte aber für ein extremes Getöse von den Hela-Doppelhörnern und für ein beeindruckendes Lichterspiel, das von den Blinkern und den den Scheinwerfern gerne übernommen wurde. Die verbaute, 30 Jahre alte Bosch-Bloctronic-Alarmanlagen – die, wie mir später ein fachkundiger Campingkollege bestätigte, in militärischem Standard produziert worden war – tat das, was sie (auf Wunsch) tun sollte: Sie alarmierte über eine nicht erlaubte Manipulation am Wohnmobil  den Fahrzeugbesitzer und die wenig erfreute Nachbarschaft.

Wo sind die verdammten Funksender, mit denen dieser Höllenlärm eigentlich abzustellen ist? Also schnell das Massekabel wieder abgeklemmt und die Suche nach den Sendern begonnen. Es ist unglaublich, wie viele Schränke, Schubladen, Kästchen, Boxen, Ablagefächer und Täschchen ein Wohnmobil zu einem gemütlichen Kleinod an Versteckmöglichkeiten machen. Dennoch, der Ausdauernde wird am Ende belohnt. Welche Freude können zwei, etwa sechs mal zwei Zentimeter große, schwarze Geräte machen, die sich durch nur einen Druckknopf auszeichnen. Aus Schaden wird man klug. Bevor das Massekabel an die Batterie kommt, noch schnell die Kabel von der Alarmhupe abgezogen, weil die Nachbarschaft durch blinkende Lichter weitaus weniger gestört wird, als durch laut brüllende Hela-Doppelhörner. Die ernüchternde Erkenntnis kommt schnell, denn der Funkempfänger der Bosch-Bloctronic ignoriert die Funksender komplett. Sicherlich liegt es an den Knopfzellen, die ja auch schon einige Jahre in den schwarzen Kästchen verweilen. Ein schneller Kauf ist allerdings eine Illusion, da die notwendigen Batterien eine Kennzeichnung haben, die nur über Spezialangebote im Internet zu bekommen sind.

Wenige Tage später sind die vier, ob ihrer Seltenheit, recht kostspieligen Knopfzellen in die Sender eingebaut und – sie haben dennoch keine Abstellfunktion. Ein weitere zeitraubende Recherche in diversen Camping-do-it-yourself-Foren bringt dann die Erkenntnis: Die Sender neigen aufgrund ihres hohen Alters dazu, einfach unwiederbringlich ihren Dienst zu verweigern.  Der Hinweis, dass die Firma Bosch keine dieser Funksender mehr liefern kann, macht das Projekt “neues Autoradio” nicht einfacher.

Die Vorschläge von versierten Hobbyschraubern ist eindeutig: Einfach die Alarmanlage stilllegen. Dieser sprichwörtliche gute Rat ist in diesem Fall zwar nicht teuer, aber er wird zeitintensiv und frustrierend, wie sich in den nächsten Tagen und Wochen herausstellen sollte. Eine professionelle Hilfe scheitert allein an der Tatsache, dass unser Wohnmobil durch den quengelnden Alarm nicht fahrbereit ist und selbst Hand angelegt werden muss.

Kabelsalat der Bosch-Bloctronic-Alarmanlage

Das Alarmrelais ist schnell im Motorraum entdeckt und der Stecker mit einer unüberschaubar großen Anzahl verschiedenfarbiger Kabeln mühelos abgezogen. Nach dem Anschließen der Batterie sind die Alarmsignale wie von Geisterhand beendet. Die Glückseligkeit ist grenzenlos. Beim ersten Versuch den üblicherweise prächtig knatternden Dieselmotor zu starten, dann die Ernüchterung. Batterie- und Vorglühlampen im Armaturenbrett leuchten zwar, doch der Anlasser tut keinen Mucks. Vermutlich wurde beim Alarmanlagen-Einbau das Kabel zum Anlasser getrennt, so die Vermutung aus dem Internet. Das sollte ja wohl keine große Sache sein. Mit dem Multimeter auf Spurensuche. Bereits nach dreieinhalb Stunden ist der Übeltäter überführt, vom Trennrelais getrennt und professionell wieder zusammengeführt, sprich geflickt. Die erste Begeisterung, als der Anlasser kräftig seine Arbeit aufnimmt, ist kaum zu beschreiben. Die Enttäuschung darüber, dass der 2,5-Liter-Diesel seine Arbeit nicht aufnimmt, ist noch größer.

In diesem Projektstatus muss man vernünftig sein und zunächst die weiteren Arbeiten einstellen. Nach dem Motto “Wissen ist Macht”, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem man intensiv die vorhandenen Unterlagen der Bosch-Bloctronic studiert. Schnell wird deutlich, die vom Vorbesitzer säuberlich abgehefteten Dokumente, einschließlich Kabelplan, helfen nicht weiter. Es gibt nur eine große Lösung: Alle Kabel und sämtliche Relais müssen raus – dann wird sich zeigen, welche (ursprünglichen) Kabel übrig bleiben und die gleichfarbigen müssen dann nur noch wieder verbunden werden. So weit die Theorie.

Der Ausbau gestaltet sich weitgehend mühelos. Lediglich der Funkempfänger zeigt sich etwas widerwillig. Während des weiteren Fortschritts zeigt sich, dass auch die zusätzlichen Hela-Signalhörner einschließlich dem entsprechenden Signalhornrelais ausgebaut werden müssen. Nach knapp zwei Dutzend Arbeitsstunden ist eine Einkaufstüte mit allerlei farbigen Kabel und elektrischen Bauteilen gefüllt und alle notwendigen elektrischen Verbindungen sind wieder geschlossen.

Nichts steht nun – so die berechtigte Hoffnung – einem Startvorgang des 2,5-Liter-Dieselaggregats entgegen. Die Vorglühkontrollleuchte im Armaturenbrett leuchtet herrlich gelb und knapp eine Minute später schnurrt der Anlasser – und der Motor springt nicht an. Auf Nachfrage im Internetforum kommt die Rückfrage, ob denn wenigstens dunkler Rauch aus dem Auspuffrohr komme. Da dies nicht der Fall ist, wird der Problembereich eingegrenzt: der Motor bekommt keinen Diesel.

Nach in Augenschein genommenem Ölfilter (sieht gut aus), schnell den Zulaufschlauch vom Tank zum Filter abgezogen und in eine alte Glasflasche gesteckt. Wenige Augenblicke den Anlasser betätigt und die fast beglückende Erkenntnis: es kommt kein Sprit. Jetzt wird’s doch tatsächlich knifflig, denn der Multimeter stellt fest, die Ölpumpe ist stromlos. Wieder auf Leitungssuche im Motorraum – und siehe da, hier ist eine merkwürdige Stelle am Pluskabel. Es ist kaum fassbar, denn die Zuleitung zur Ölpumpe hat einen Kabelbruch, der aber wirklich schnell verlötet und mit einem Schrumpfschlauch anschließend professionell gesichert ist. Wenige Augenblicke später, die große Freude, da die Pumpe jetzt den Diesel aus dem Tank befördert.

Also Schlauch an den Ölfilter und nachdem die Vorglühkontrollleuchte erloschen ist mit größtmöglicher Vorfreude den Motor gestartet. Der Frust ist unermesslich, die Dreckskarre (Verzeihung liebes Wohnmobil) springt nicht an. Wenigstens schwarzer Rauch aus dem Auspuff und die Erkenntnis, es kann jetzt nur noch an der Motorelektrik liegen.

Ein Phänomen der Extraklasse zeigt der Multimeter. Am Ausgang des Vorglührelais wunderbare 12,4 Volt, an der ersten Glühkerze null Volt. Soweit so schlecht. Ist das dicke Pluskabel allerdings von der Glühkerze entfernt, zeigt es auch die 12,4 Volt. Prächtig.Von meiner perfekten Oldtimer-Werkstatt bekam ich auf Nachfrage die Auskunft: müsste eigentlich ein Kabelbruch sei, weil unter Belastung die Stromverbindung abbricht.

Wieder ein Kabel, das mühevoll ausgebaut werden muss und nach genauer Überprüfung keinen Kabelbruch aufweist. Lediglich die Anschlussösen an beiden Enden zeigen sich ein wenig korrodiert. Die sind schneller gewechselt, als der Wiedereinbau des Kabels dauert.

Jetzt aber die Erlösung und gleichzeitige Verzückung. Durchaus stolz wird die Maschine vorglüht und nach einigen Sekunden gestartet – und der Diesel knattert und brummt, so dass es eine Freude ist.

Fazit: Der Radioaustausch ist gelungen.

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