Die Camping-Leidenschaft hört nie auf

Vorwort:
Anfang der 1980er-Jahre war es, als die Begeisterung für das Camping meine damals Noch-nicht-Ehfrau und mich packte. Erst im Zwei-Mann-Zelt, im Käfer-Cabrio verstaut, mit der Geburt unserer ersten Tochter dann in unserem jahrzehntelangen Schätzchen, einem beim Kauf drei Jahre alten Bürstner-Wohnwagen. Der Gardasee, die italienischen Adria waren die ersten Ziele, mit dem Anhänger ging es zunächst im Herbst mit unserer ein halbes Jahr alten Tochter nach Südtirol. Dann waren Spanien, Südfrankreich, Italien, der Osiacher See in Kärnten, der Waginger See bei Traunstein, ein Abstecher – kurz nach der Wende – nach Rügen und schließlich der Forggensee bei Füssen unsere Ziele. Die Entfernungen wurden mit den Jahren im kürzer, die Dauer des Aufenthalts dafür länger. Mehr als ein Jahrzehnt war der Forggensee, mit Blick auf die Alpen und das Schloss Neuschwanstein, den nahen Ausflügen in den Königswinkel unser Domizil. Unsere Zeit im Allgäu begann mit einem sechswöchigen Kuraufenthalt für unsere inzwischen drei Kinder, von denen für zwei die sommerlichen Asthmaanfälle dort erträglicher waren. Nachdem wir noch stolze Besitzer eines kleinen Segelboots wurden – unserem “Mäxle – startete zunächst unsere Karriere als Saisoncamper, und da uns die doppelte An- und Abfahrt mit Wohnwagen und Bootstrailer einfach zu lästig zu Saisonbeginn und an deren Ende wurden, entschieden wir uns zu etwas, was eigentlich nicht vorstellbar schien: Wir wurden Dauercamper. Im Laufe der Jahre, immerhin konsequent ohne Zwerg vor dem Vorzelt, aber immerhin mit dem Ausbau unserer ehemals mobilen Urlaubstube in eine winterfeste Trutzburg mit knapp 30 Quadratmetern Wohnfläche und dem einen und anderen Hüttenwerk, in dem der immer größer werden Camping-Hausstand verstaut werden konnte. Natürlich gab es eine Eckbank, die bequeme rote Couch von der Oma mit dem schönen Korbgeflecht an den Seitenlehnen – und dem größten Luxus, einem vierflammigen Küchenherd mit Backofen, der selbstverständlich in eine Küchenzeile integriert worden war.
Sommerurlaube verbrachten wir am Forggensee, am Steg mit seinem “Seglerhock” und mit dem “Mäxle” unter weißen Segeln, oft bei Flaute vor Neuschwanstein dümpelnd oder bei plötzlich auftretenden Böen mit gerefftem Großsegel und Sturmfock gegen die Naturgewalten kämpfend. Auf Skiern – als bekennender Traditionalist eben nicht mit Carvingski, sondern mit knapp zwei Meter langen “Rosigniol-Latten” – genossen wir die Winterurlaube, einschließlich berauschender Silvesterfeiern auf engem Raum mit bis zu 20 Camperfreunden. Zwischen den Jahren wurde es zur Tradition, dass ich auf unserem Gasherd Kaninchenbraten für bis zu 20 hungrige Gäste brutzelte.
Das Ende des Dauercamping – ein Entschluss der Vernunft
2017 war Schluss mit Dauercamping. Der Betreiber unseres Platzes wechselte, Dauercamper wurden zusehends vergrätzt und als wir schließlich wegen des Neubaus eines Dusch- und Sanitärgebäudes mit unserem umfangreichen Mobiliar auf eine handtuchkleine Parzelle umziehen sollten, fassten wir schweren Herzens, aber mit der notwendigen Überzeugung den Beschluss: “Jetzt hören wir auf und das war’s dann auch mit campen.” Die drei Kinder gingen inzwischen ihre eigenen (Urlaubs)-Wege und zu zweit könnte man sich doch Urlaub mit allem Komfort und Service gönnen. Das Allgäu wurde für uns als Camper zur Geschichte, unsere älteste Tochter allerdings hat diesen Landstrich am Rande Alpen zu ihrer Heimat auserkoren. Schließlich hat sie auf unserem Campingplatz ihren jetzigen Ehemann bereits als Jugendliche kennengelernt.
Veränderter Blick auf das Leben
Dann veränderte mein “Lugenbeutel”, wie der Blinddarm in meiner schwäbischen Mundart genannt wird, vieles. Dieser “gammelte vor sich hin”, wie es der Oberarzt bildhaft nannte, schmerzfrei an der Stelle, wo er eigentlich nicht hingehört. Beim Entfernen platzte dieser, und erst nach mehr als einer von Bauchspülungen und Schmerzmittel vernebelten Woche kam die Erkenntnis: Das hätte es tatsächlich schon sein können. Das in einer Zeit, in der die Einschränkungen des bisher weitgehend selbstbestimmten Lebens alles in Frage stellten. Kein Kontakt mit den drei Kindern und den damals vier Enkeln (inzwischen sind es sieben, die wir wieder freudig herzen können) und Freundschaften, die unvermittelt zerbrachen. Was kommt, was wird, was wäre wenn? Macht der zeitintensive Einsatz als Zeitungsredakteur noch Sinn, und ist das leidenschaftliche Engagement in einem ehrenamtlichen Kleinkunstprojekt, um für andere Freude, Zerstreuung und Unterhaltung zu ermöglichen, nach all den in kurzer Zeit gemachten, desillusionierenden Erfahrungen noch sinnhaft?
Antworten, mit allen daraus resultierenden Konsequenzen, wollte ich wohl nicht finden. Eines war aber klar. Es muss sich etwas ändern, ganz bestimmt mit der Konzentration auf das Wesentliche, das gemeinsame Leben mit meiner Ehefrau und der glücklicherweise immer größer werdenden Familie. Also, mehr Freiräume, mehr kleine Fluchten aus dem alltäglichen Hamsterrad und einfache Dinge erleben. Ganz unvermittelt war sie wieder da, letztendlich, so ein bisschen Campingsehnsucht.
Allerdings nicht mehr mit dem Hänger am Haken, ein motorisiertes Freizeitheim wäre schon schön, so dachte ich mir. Meinem Liebling verriet ich zunächst nichts davon, denn nur allzu gut erinnere ich daran, wie schwer ihr der Abschied vom Dauercampen am Forggensee fiel. Ein neues Wohnmobil, das fünf- bis sechsstelligen Eurobeträge kostet, war keine Option. Idealerweise sollte es ein gebrauchtes, eher kleineres, mit Alkoven und Küche im Heck sein (ganz wichtig, damit man beim Kochen nicht ständig umeinander Herumtanzen muss). Am besten ein mindestens 30 Jahre altes Fahrzeug mit H-Kennzeichen, damit man nicht durch die Umweltzonen bei Städtereisen ausgebremst wird.
Das alles während der Corona-Hysterie, mit einer von vielen nicht nachzuvollziehenden Begleiterscheinungen: Die Preise für gebrauchte Wohnmobile ging durch die sprichwörtliche Decke. Für ramponierte, durchgefaulte Camper mit mehr als 350.000 Kilometer auf dem Tacho, wurden “Abwrackprämien” für Kaufinteressierte von mehr als 15.000 Euro ausgerufen – und möglicherweise von Camper-Novizen auch bezahlt.
Geduld und Ausdauer waren die Zeichen dieser Zeit. Für einen bekennenden Schwaben wie mich schwierig. Mehr als sechs Jahrzehnte fordere ich schließlich von unserem Herrgott: “Herr, schick mir Geduld – aber schnell.” Mehr als zweieinhalb Jahre, mit teilweise schockierende Wohnmobil-Besichtigungen, dauerte die Suche. Dann der Glücksfall, soweit man dies in diesem Moment einschätzen kann: Ein Hymer-Wohnmobil auf der Basis eines Peugeot J5, mit 2,8 Liter Turbodiesel, Alkoven und Küche im Heck, 210.000 Kilometer, Baujahr 1990 (mit H-Kennzeichen) – aus erster Hand.
Der Standort war in unmittelbare Nähe zu unserem Wohnort und die erste in In-Augenschein-Nahme war vielversprechend: kein Rost, keine feuchten Stellen, TÜV war abgelaufen, der Schadensbericht so, dass die Kosten, nach Absprache mit unserer Werkstatt des Vertrauens, überschaubar waren. Keine Spuren auf den Polstern und die Armlehnen vom Fahrer- und Beifahrersitz wurden von der Vorbesitzer(in?) liebevoll umhäkelt, damit der originale Stoffüberzug geschützt wurde. Herz und Geldbeutel, was wollt ihr mehr? Vielleicht wieder einmal etwas Geduld (siehe oben), denn die Reparaturen sollten sich durchaus ein wenig in die Länge ziehen.
Ein Oldtimer-Schätzchen steht im Garten
Sonntagnachmittag. Wieder einmal Studium der einschlägigen Internetplattformen, auf denen gebrauchte Wohnmobile feilgeboten wurden. Da war es, das Objekt meiner Wünsche, Vorstellungen und Begierden. Ein Hymer Camp auf Basis eines Peugeot J5 mit 2,8 Liter Turbodiesel, Baujahr 1990, also 32 Jahre alt und mit H-Kennzeichen. TÜV zwar abgelaufen, aber die notwendigen Reparaturen, die das Prüfprotokoll aufwiesen, schienen finanziell machbar und auch in einem erträglichen Zeitraum zu erledigen. Der Preis war überraschend niedrig: 9500 Euro, Verhandlungsbasis. Eigentlich, so meine erste Einschätzung nach dem Studium der zahlreichen mitveröffentlichten Fotos ein realistisches Angebot. Aber, unter Zehntausend in diesen verrückten Zeiten? Irgendein Haken wäre eigentlich schon zu erwartet. Was soll’s, die 20 Kilometer aktuellen Standort des Fahrzeug wäre ein solches Schnäppchen immer wert. Kurze E-Mail, schnelle Antwort, Besichtigung am kommenden Dienstag, 11 Uhr. Der Ehefrau noch nichts verraten, die innere Aufregung elegant verbergen.
Bei diesem Besichtigungstermin des Hymer Camp war fachkundige Verstärkung nötig. Zum Glück waren Sommerferien und unser Zweitältester war mit seinen beiden Söhnen (acht und sechs Jahre) für einige Tage in der Sommerfrische bei uns. Dass er Fahrzeugbaumeister ist, prädestinierte ihn natürlich als Kaufberater. Seine Mutter und meine Ehefrau ließen wir bei unserer Besichtigungsfahrt an dem sonnigen ersten August-Dienstag im Unklaren, warum Vater und Sohn ohne sie und die beiden Enkel dienstagvormittags das Haus gemeinsam ohne erkennbaren Grund verließen.
Die zweite Verhandlungsrunde mit dem Verkäufer war recht erfolgreich, da diese froh war, das Fahrzeug – ohne TÜV – vom öffentlichen Parkplatz in einem Industriegebiet wegzubekommen. So war er ohne Diskussion bereit den Verkaufspreis um die zu erwartenden Werkstattkosten zu verringern. Nur wie sollte das Wohnmobil ohne TÜV zu uns nach Hause kommen? Der junge Verkäufer sah darin keine Probleme und stellte uns das Schätzchen an einem Donnerstagabend Anfang September in den Hof. Wie ihm dies gelang? Eine Nachfrage verbot sich, wir waren nur froh, dass es jetzt in unserer Obhut war. Besonders erfreulich, dass die ursprüngliche Skepsis der Ehefrau sich in überschwängliche Begeisterung verwandelte.
Eine seriöse Reparatur braucht Zeit
„Das bekommen wir alles hin“, so die erfreuliche Meinung unserer Werkstatt des Vertrauens., worauf ich anmerkte, die Instandsetzung eile nicht, da wir nicht geplant hatten, im Herbst eine erste Ausfahrt mit unserem Wohnmobil zu unternehmen. So verzögerte sich die Reparatur eben Woche und Woche. Auch die für die TÜV-Plakette notwendige Gastprüfung geriert zur besonderen Herausforderung. Der TÜV-Prüfer war der unverbrüchlichen Meinung, die Kontrollleuchte der elektrischen Kühlschrankzündung müsse bei Gasbetrieb dauerhaft leuchten. Helmut, erfahrener Inhaber eines Campinggas-Servicebetriebs, war nicht nur in der Woche zwischen Weihnachten und Silvester spontan bereit, die Gasanlage zu warten und zu überprüfen. Er war es auch, der wissend erklärte, die Kontrollleuchte blinkt nur während des Zündvorgangs. Ergebnis nach aufregenden Tagen: TÜV-Plakette auf dem Nummernschild und Stempel im Fahrzeugschein. Prächtig. Nun gut, eine Anmeldung des Fahrzeugs bei der Zulassungsstelle am 30. Dezember, davon kann nicht jeder berichten.
Einer ersten Ausfahrt Ende Januar stand also nichts mehr im Wege.