Scharf muss es sein.

Wie bei vielen Hobbys, kann man unendlich viel auch beim Kochen ins Handwerkszeugs investieren. Gerade kochende Männer sind empfänglich für die aus bestem Stahl produzierten Messer. Manche davon handgeschmiedet, eine Augenweide für die Enthusiasten. Wer kennt sie nicht die schweinsledernen Koffer mit einer Unzahl von Messern und Hackbeilen, von klein bis riesig groß. Prächtige und zum Teil monströse Werkzeuge, die alle nur eine Aufgabe haben: Sie müssen scharf sein, um Zwiebeln ganz fein zu würfeln, um den zarten Schweinebraten in Scheiben zu Schneiden, oder um den Weihnachtstruthahn mühelos zu tranchieren. Das ist die ursprüngliche und einzige Aufgabe von (Küchen)-Messern. Und sie müssen gut in der Hand liegen. Schönheit und Eleganz sind tatsächlich von untergeordneter Bedeutung.



Natürlich habe auch ich in meinem inzwischen mehr als sechs Jahrzehnten andauernden Leben, davon fünf als Familienkoch, eine stattliche Anzahl der unterschiedlichsten Schneidwerkzeuge (einschließlich eines elektrischen Messers, dazu in einer späteren Folge mehr) angesammelt. Und vor Jahren schenkte mit ein liebes Bäsle meiner Ehefrau einen prächtigen Messerkoffer. Ich kann sagen, messertechnisch bin ich von der Vielzahl bestens ausgestattet. Und was noch viel wichtiger ist, (fast) alle sind scharf geschliffen, auch dank meines Vaters, dem als gelernter Metzgermeister das Schärfen von Messern ein Grundbedürfnis ist, welches er auch mir vererbte.


Mein vietnamesisches Schneidebeilchen: keine Schönheit, aber unfassbar handlich und mörderisch scharf.


Dann, vor einigen Jahren kam mein vietnamesisches Schneidebeilchen zum mir. Mein Sohn Phillip hatte dieses Messer im Internet (für knapp 12 Euro!) entdeckt und sofort für mich eines bestellt. Messer verschenkt man ja – wenigsten hier bei uns im Schwäbischen – nicht, weil dies wohl Unglück bringt. Also wechselte mein zukünftiges Lieblingsmesser (das wusste ich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht) für einen symbolischen Euro in meinen Besitz.

Was soll ich sagen: ja, mein vietnamesisches Schneidebeilchen ist keine Schönheit. Gefertigt aus einem vielfach dunkel verfärbten Eisenblech. Ich vermute ja, dass für die Produktion wohl Panzerplatten aus den wohl noch in Vietnam herumstehenden „M48 Medium Tanks” aus ehemaligen US-Beständen recycelt werden – ob’s stimmt? Ich weiß es nicht, aber die Qualität des Eisenblechs scheint dies möglich zu machen. Als Griff wurde ein einfacher Holzstecken schnell geschnitzt und dunkel gebeizt.

Also mein vietnamisches Schneidebelichen liegt wunderbar in meiner Hand und es ist mörderisch scharf, vermutlich könnte man sich damit rasieren. Gelegentlich vier oder fünf Striche auf beiden Seiten der Schneide mit dem Wetzstahl reichen aus, um es wieder sprichwörtlich “messerscharf” zu halten. Das hässliche Entlein in meiner umfangsreichen Messersammlung war also sofort der Star und verdrängte alle anderen (Edelstahl)-Klingen ins hintere Eck einer dunklen Küchenschublade.

Meine Begeisterung für mein vietnamesisches Schneidebeilchen wird allerdings gelegentlich auf eine große Probe gestellt, eben dann, wenn mal wieder ein Fingergipfel der linken Hand der mörderischen Schärfe zum Opfer fällt oder das Messer nahezu mühelos tief in den Zeigefinger eindringt. Bemerkenswert ist dabei, dass Teil ist so scharf, die Verletzung entstehen nahezu schmerzfrei. Nur der eine oder andere Blutstropfen auf dem Schnittgut lässt erkennen, aha, habe ich mich mal wieder geschnitten.

Das sorgt in meiner Familie für viel Heiterkeit, ob meiner Tollpatschigkeit, meiner Begeisterung für mein vietnamesisches Schneidebeilchen tut es aber keinen Abbruch.

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