Es ist unstrittig. Begonnen wird mit Gaisburger Marsch.

Gaisburger Marsch (mehr zu diesem Namen gibt’s hier), Kartoffelschnitz’ und Spätzle, Vrheierte, Böckinger Feldgschroi, wie man auch immer dieses feine und sättigende samstägliche Tellergericht bezeichnet, von der Köchin oder vom Koch werden keine besonderen Handfertigkeiten gefordert. Dafür braucht man recht viele Töpfe, die man nach Fertigstellung auch alle spülen muss. Vielleicht hat es sich deshalb in den meisten schwäbischen Familien als klassisches “Samstagsessen” etabliert. Meine Erfahrung mit den neuen nichtschwäbischen Familienmitgliedern: Man muss diese, ob der für sie kaum vorstellbaren Kombination, mit etwas Überzeugungsarbeit an den Gaisburger Marsch heranführen, dann wird durchaus Gefallen an der geschmacklichen Harmonie gefunden.


Viel Wurzelgemüse, Zwiebeln und Siedfleisch machen eine gute Brühe.


Ingredienzien und Zubereitung.

Sowohl (festkochende) Kartoffeln, wie auch selbst gemachte Spätzle (idealerweise geschabt, aber auch mit dem Spätzlesdrücker ist akzeptabel) haben nur ein sehr zurückhaltendes Eigenaroma, da diese eigentlich nur für die Aufnahme von inhaltsschweren, kräftigen Soßen erfunden wurden. Deshalb hat für einen gelungenen Gaisburger Marsch der Geschmack der Rinderbrühe die herausragende Bedeutung. Diese ist einfach herzustellen, man darf nur nicht an den Zutaten sparen und man muss ihr mindestens zwei Stunden Zeit geben zu reifen.


Mindestens zwei Stunden muss die Brühe köcheln.


  1. Ein Topf mit drei bis vier Liter Wasser kommt auf den Herd, und man wartet bis das Wasser schön sprudelnd kocht. In der Zwischenzeit werden Sellerieknolle, Gelbe Rüben, gerne auch Pastinaken, Lauchstangen (und was man sonst noch so an Wurzelgemüse findet) in handliche Stücke geschnitten. Mengen und Größe ganz nach Wunsch, ein zu viel an Gemüse ist dabei kaum möglich. Zwei oder drei Zwiebeln halbieren, mit der Schale, die der Brühe eine schöne Farbe gibt. (Wenn man dabei noch eine rote Zwiebel verwendet, ist später der Anblick der Brühe eine optische Offenbarung).  Dies alles mit einer kräftigen Prise Salz, etwas Muskatnuss, Pfeffer, wer’s mag eine Knoblauchzehe und drei bis vier Lorbeerblättern in den Topf geben. Wenn dieser Ansatz wieder sprudelnd kocht, komm ein halbes bis ein Kilo großes Stück Siedfleisch und – wenn vorhanden – zwei Markknochen in die Brühe. Letztere machen die Brühe nicht nur kräftiger, die entstehenden “Fettaugen” sind für jeden Schwaben eine Freude, und natürlich auch ein Merkmal der hohen Qualität. Schäumt die Brühe zu sehr, schöpft man diesen Schaum mit einer Kelle ab, damit am Ende die Brühe klar bleibt. Temperatur dann runter, Deckel drauf und der Brühe mindestens zwei Stunden köchelnd auf dem Herd sich selbst überlassen.

    Kartoffeln in mundgerechte Stücke schneiden und im Salzwasser kochen.


  2. Pro Person kann man mit drei mittelgroßen Kartoffeln rechnen, feste Esser bekommen ein oder zwei mehr. Für mich sind festkochende Kartoffeln – Linda, Sieglinde, Nicola, Goldmarie, Charlotte und wie sie alle schöne Frauennamen haben – ideal, weil so am Ende die unterschiedlichen Bestandteile des Gaisburger Marschs eindeutig erkennbar bleiben, und die Brühe weiterhin schön klar ist. Dies ist aber keine religiöse Vorschrift, wer mehlige Kartoffeln mag, darf auch gerne diese verwenden. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, und Toleranz ist ja eine der Grundeigenschaften von uns Schwaben, gell. Mit einem “Sparschäler” (!) werden die rohen Knollen von ihrer Schale befreit, und jede einzelne kommt sofort in kaltes Wasser, damit sie sich während ihrer Wartezeit auf die weitere Verarbeitung nicht unschön verfärben. Rund eine halbe Stunde vor der geplanten Essenszeit werden die Kartoffeln in drei bis vier Zentimeter große Stücke geschnitten (die Größe hängt letztendlich von der Kreativität des Kochs ab) und werden in einem Topf mit leicht gesalzenem Wasser bei kleine Hitze gargekocht.
  3. Der Spätzlesteig.

    Immer habe ich beim Spätzlesteig meinen Opa Max vor Augen, der in einer brauen Steingutschüssel auf dem Schoss mit dem hölzernen Rührlöffel (mit Loch) den Teig schlug. Dicke Schweißperlen inklusive, natürlich auf der Stirn von Opa Max. Erst wenn der Teig nach mühseliger Arbeit ganz glatt war und dazu Blasen schlug, dann hatte dieser die Qualität für die Kunz’schen Spätzle.



    Heute ist es nicht mehr schweißtreibend, Handrührgeräte oder Küchenmaschine erleichtern den perfekten Teig immens. Pro Person gibt man ein Schäufelchen Mehl in die Schüssel, pro Schäufelchen mindestens ein Ei, Salz. Wer bei der Farbe der Spätzle ein wenig nachhelfen will, kann etwas (teuren) Safran oder (billiges) Kurkumapulver untermengen. Nicht weitersagen, aber ein bisschen “b’scheißen” tut doch jeder. Unter der Zugabe von etwas Wasser rührt man nun einen glatten Teig. Die richtige Konsistenz für Spätzle aus dem Drücker hat man, wenn er nicht mehr vom Rührlöffel tropft, für geschabte Spätzle ist er ideal, wenn er nach dem Rühren ganz behutsam in der Schüssel zusammenläuft. Erfahrung ist beim Spätzlesteig alles. Aber keine Angst, ist er zu dick kommt noch etwas Wasser (oder ein Ei) hinzu. Etwas Mehl hilft, wenn er zu “labbrig” ist. Spätestens nach der fünften Schüssel Spätzlesteig hat man seine persönlich ideale Konsistenz.
    Durch den Spätzlesdrücker presst man Portion um Portion des Teigs in kochenden Salzwasser. Wenn die Spätzle aufgekocht sind und oben schwimmen werden sie abgeschöpft und in einer Schüssel mit warmem Wasser “abgeschreckt”. Das Spätzlesschaben vom Holzbrett ins kochende Salzwasser ist eine handwerkliche Herausforderung, die extrem viel Praxis braucht. Theoretische Erklärungsversuche sind zum Scheitern verurteilt. Mein Tipp: Mutig ran ans Werk.


    Zart und weich muss das Siedfleisch sein.


  4. Inzwischen sollte das Siedfleisch zart und weich sein, so dass man es aus der Brühe nehmen und in kleine fasrige Stücke schneiden kann. Das gekochte Wurzelgemüse kann nun auch herausgenommen werden, und es ist Zeit die Brühe nochmals abzuschmecken. Wenn Ihr es für Euch behaltet, verrate ich meine kleine Betrügerei. Pssst: Gekörnte Brühe hilft manchmal Wunder, vielleicht liegt’s am Natriumglutamat. Die Saitenwürste werden nun noch in der Brühe erwärmt (ein Pärle pro Person kann bei festen Essern etwas zu wenig sein).
  5. In der Pfanne kann man nun noch fein geschnittene Zwiebeln in Butter, Butterschmalz und wenn’s gar nicht anders geht in Margarine goldgelb anrösten. (die Zwiebeln sind kein Muss, erhöhen aber nochmals den Genuss und die Optik.
  6. In einer vorgewärmten möglichst großen Schüssel werden nun Spätzle, Kartoffeln, Siedfleisch, Spätzle, Kartoffeln, Siedfleisch… geschichtet. Am Schluss kommen als Tüpfelchen vom “i” die Zwiebeln hinzu und das ganze wird mit reichliche Brühe übergossen. Wenn alles herrlich in der Brühe schwimmt, dann ist der Gaisburger Marsch gelungen.

An Guata!

Anmerkung: Bei einem Gespräch über mein Gaisburger-Marsch-Rezept habe ich jetzt von einer Variante erfahren, die allerdings nur etwas für ganz Hartgesottene ist. Statt der legendären Saiten kommen nämlich Blutwürste in die Brühe, die, wenn sie idealerweise aufplatzen, dem Gericht einen ganz besondere herzhafte Noten geben sollen.


Was für eine gelungene Kombination: Spätzle, Kartoffeln, Fleischbrühe, Saiten und Siedfleisch, besondere Leckermäuler können noch ein paar Zwiebeln in Butter schmälzen.

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